Domus

Nils Holger Moormann –
Design, das frei sein will

Nils Holger Moormann ist einer, dem immer viel an der eigenen Freiheit lag. So viel nämlich, dass er sich Ende der 1970er durch acht Semester Jus-Studium durchbeisst. Ohne Freude, dafür mit dem einzigen Gedanken, dass man “mit Jus im Grunde alles machen kann”.

Als lebenslanger Abenteuer ist er schon damals viel unterwegs. Eines Tages erzählt ihm ein Anhalter von Münchner Architekten, die Möbel selber machen wollen, aus Stahl statt Holz, mit Spass statt Bierernst. Moormann ist fasziniert, bricht das Studium ab und wird stattdessen Vertriebler, erfährt die Designszene in einer ihrer spannendsten Zeiten und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Noch heute erzählt er davon, wie er mit dem Campingbus quer durch Deutschland unterwegs war, direkt vor den Möbelhäusern Halt machte, in denen er am nächsten Tag vorstellig werden sollte, und gleich an Ort und Stelle schlief. Mit Ende 20 wagt er 1984 den grossen Schritt in die eigene Firma – und feiert mit einem klappbaren Schuhschrank und dem “Gespannten Regal” von Wolfgang Laubersheimer sofort Erfolge.

Von der Schwere, alles einfach zu halten
Genau wie im Rest seines Lebens verfolgt Moormann auch bei seinen Designs das Ziel, das Überschüssige, Plumpe, Nicht-Benötigte wegzulassen. “Doch genau hier liegt die Krux. Die Menschen glauben, das Einfache komme einfach daher. In Wirklichkeit ist es ein irre langer Weg, um dahin zu kommen. Jedes Detail muss hinterfragt werden, bis es einfach nicht mehr einfacher geht”, so Moormann über seine Arbeit. So werden Tisch, Bett, Stuhl und Regal von unnötigem Gewicht befreit. Ähnlich verfährt Moormann mit seiner Art der Produktion: Seine Ideen nehmen extern Gestalt an. Wieso? “Um der Betriebsblindheit vorzubeugen”, so Moormann. Denn wer einen Maschinenpark hat, ist erpicht, ihn ständig voll auszulasten. Das hindert das Denken. Bei Moormanns Möbelkollektionen aber sind die Designer frei – und die Produzenten werden erst dann gesucht, wenn alle mit dem Entwurf zufrieden sind.

Hotel berge
Dass Moormann, eigentlich ewiger Nomade, jetzt auch ein Hotel besitzt, ist ebenfalls seiner Leidenschaft für Möbel zu verdanken. Denn mit dem Erfolg seines Labels kam die Notwendigkeit, das Lager der Firma zu vergrössern. Weil es zur Philosophie des Unternehmens gehört, alles regional zu verwirklichen, von der Fertigung bis zur Logistik, kauft er die ehemalige Hohenaschauer Hofbäckerei, die nur wenige Schritte von Moormanns Firmenzentrale steht. Der trutzige Bau ist riesig und der Unternehmer weiss zu Anfang nicht, was mit ihm anzufangen. Bis die Handwerker – symbolträchtigerweise – die Strukturen des Altbaus freilegen, das Haus also vom Unnützen befreien. Und Moormann eine Idee kommt. Die Gänge, das enorme Entrée, alles hier ist fürs Gastgeben ausgelegt. Zu Beginn hat Moormann Angst vor dem Projekt, doch bald wendet er sein Lebensmotto auch hier an: Weniger vom Störenden, mehr vom Essentiellen soll es sein. Die Herberge mit Namen “berge” ist geboren – und steht seither für minimalistisches Ambiente ganz ohne Rundumversorgung. Deshalb sind die meisten Zimmer hier mit einer Küche ausgestattet. Und wer möchte, kann sich die Zutaten zum Kochen täglich frisch vor die Zimmertüre stellen lassen – alles in biologischer Qualität, alles aus der direkten Umgebung. Luxus in Reduktion, sozusagen. Wie alles, was Moormann macht.